Von der funktionalen zur umweltbewussten Stadt. Wiener Stadtplanung 1945 bis 1989

Fotomontage einer projektierten Einschienenbahn auf der Mariahilferstraße (1958), Wiener Stadt- und Landesarchiv, Kleine Bestände: Besondere Projekte: III/46

Das Wiener Stadt- und Landesarchiv präsentiert regelmäßig Themenschwerpunkte zu Aspekten der Wiener Stadtgeschichte. Diese werden im Wien Geschichte Wiki, der historischen Wissensplattform der Stadt Wien, mit Originalquellen zur Verfügung gestellt.

Der kommende Themenschwerpunkt „Von der funktionalen zur umweltbewussten Stadt. Wiener Stadtplanung 1945 bis 1989“ behandelt die vielfältigen Einflüsse auf die Stadtplanung in Wien. Er beginnt mit der Zeit des Wiederaufbaus nach 1945 und zeigt verschiedene stadtplanerische Entwicklungen bis zum Fall des Eisernen Vorhangs 1989, als Wien aus einer Randlage plötzlich ins Herzen Europas rückte.

Das funktionale Stadtmodell der Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1945/46 in der „Enquete für den Wiederaufbau der Stadt Wien“ die Stadtplanung ganz auf das Modell der „funktionalen Stadt“ ausgerichtet. Dieses Planungsmodell, das bereits in den 1920er Jahren vom schweizerisch-französischen Architekten Le Corbusier entwickelt wurde, sah eine räumliche Gliederung der Stadt nach  den dominanten Funktionen (Wohnen, Arbeiten, Erholen und Bewegen) vor. Ziel dieser neuen Stadtplanung war es, das Stadtgebiet optimal zu nutzen und die Funktionsgebiete für Wohnen, Arbeiten und Erholung durch weitläufige Grüngürtel zu gliedern und über Verkehrsachsen zu verbinden.

1958 wurde Roland Rainer zum Stadtplaner bestellt. Rainer hatte in diesem Jahr mit der Fertigstellung der Stadthalle eine architektonische Ikone der Wiener Architektur der Nachkriegszeit konzipiert. Mit seinem 1962 erschienenen 11-Punkte-Programm im „Planungskonzept Wien“ verhalf er der funktionalistischen Stadtplanung in Wien endgültig zum Durchbruch.

Die autogerechte Stadt

Die Stadtplanung konzentrierte sich in der Folge auf den vermeintlich zukunftsweisenden motorisierten Individualverkehr. Gezielt wurde die Trennung der einzelnen Fortbewegungsmittel im Verkehrsraum vorangetrieben. Der Autoverkehr sollte in keiner Weise von anderen Verkehrsteilnehmern wie Fußgänger*innen oder Fahrradfahrer*innen behindert werden, wofür auch der Bau von innerstädtischen Autobahnen vorangetrieben wurde. Neben umgesetzten Projekten wie der Südosttangente waren Autobahnen am Flötzersteig und eine Gürtelautobahn mit einer Einschienenbahn in Hochlage projektiert. Die Westeinfahrt sollte durch die Wientalautobahn bis zum Ring reichen, wofür es notwendig gewesen wäre, den Naschmarkt abzusiedeln.

Hochhäuser und Prestigeprojekte

Nach ersten Vorgängerprojekten, wie dem Hochhaus in der Herrengasse, kam es ab Mitte der 1950er Jahre zu einer frühen Phase des Hochhausbaus in Wien, zunächst noch in Form von einzelnen Projekten wie dem Ringturm und dem Hochhaus am Matzleinsdorfer Platz. Bis Mitte der 80er Jahre kam der Hochhausbau vor allem im Zusammenhang mit sozialen und kommunalem Wohnungsbau zum Einsatz, wie etwa im Wohnpark Alt-Erlaa.

In diese Periode der funktionalistischen Stadtplanung fielen ebenso einige Groß-und Prestigebauvorhaben wie die U-Bahn, die Donauinsel, die UNO-City, sowie die beiden Wiener Internationalen Gartenschauen 1964 im Donaupark und 1974 im Kurpark Oberlaa.

Altstadterhaltung und umweltbewusste Stadt

Ab den frühen 1970er Jahren kam es von Seiten der Stadtbevölkerung zu immer größerem Widerstand gegen die rein funktionale Umgestaltung des historisch gewachsenen Stadtbilds. Die Stadt reagierte 1972 mit der Altstadterhaltungsnovelle, die die Einrichtung von Schutzzonen für historische Ensembles vorsah. Ergebnisse dieser Entwicklung waren Altstadterneuerung und die Sanierung von innerstädtischen Quartieren wie dem Spittelberg.

Ab den späten 1970er und 1980er Jahren wandte sich die Stadtplanung sukzessive vom funktionalistischen Planungskonzept ab, neues Ziel war die umweltbewusste Stadt. Der Autoverkehr wurde vermehrt als Belastung denn als Fortschritt gesehen, alternative Fortbewegungskonzepte wurden gefördert. Neue Trends betrafen nun Fußgängerzonen und eine vorsichtige Entwicklung des Radverkehrs.

Originaldokumente online und in Auswahl im Ausstellungsfoyer

In den vier Ausstellungsvitrinen des Archivs werden vom 8. März bis 30. Juni 2022 ausgewählte Objekte zur Stadtplanung aus den Sammlungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs vorgestellt. Gezeigt werden unter anderem nicht realisierte Planungen zur Donauinsel, Luftbilder zum Bau der Uno-City, sowie Entwürfe zur ersten Fußgängerzone.

Link zum Themenschwerpunkt

www.geschichtewiki.wien.gv.at/Stadtplanung