„Wir werden diese neue Stadt lieben“

© Wien Museum / Anna Stanka
In einer neuen Workshopreihe des Wien Museums arbeiten drei Kunstvermittler*innen mit der Bevölkerung am Stadtumbau 2.0 – sie erarbeiten gemeinsam mit den Teilnehmer*innen Visionen für die Stadt der Zukunft. Wir haben mit Lukas Sperlich, Anna Stanka und Gertraud Illmeier über die Workshops und ihre Erkenntnisse gesprochen.
Heißere Sommer, mildere Winter, Hochwasser und Trockenheit – der Klimawandel ist auch in der Stadt spürbar. Doch die Stadt passt sich an: Vom Naschpark über das Supergrätzl Favoriten und die Argentinierstraße bis hin zum Wagramer Straßenpark oder dem neugestalteten Enkplatz zeigen klimafitte Umgestaltungen im gesamten Stadtgebiet, wie die Stadt der Zukunft aussehen kann – und wie es uns gelingen kann, auch bei steigenden Temperaturen ein gutes Leben zu führen. Eine besondere Bedeutung kommt dem öffentlichen Raum zu, der im Zentrum dieser Verwandlung steht. Was sich anfühlt wie eine einmalige Situation, ist mit Blick auf die Geschichte nicht unbedingt etwas Neues. Bereits im 19. Jahrhundert fand ein großer Stadtumbau statt, bei dem sich Wien als Millionenmetropole für eine andere Jahreszeit wappnete – den Winter. Mit „Winter in Wien – Vom Verschwinden einer Jahreszeit“ standen die kalten Monate 2024 / 2025 im Mittelpunkt einer Ausstellung des Wien Museums. In einer neuen Workshopreihe arbeiten drei Kunstvermittler*innen nun mit der Bevölkerung am Stadtumbau 2.0 – und erarbeiten gemeinsam mit den Teilnehmer*innen Visionen für die Stadt der Zukunft. Wir haben mit Lukas Sperlich, Anna Stanka und Gertraud Illmeier über die Workshops und ihre Erkenntnisse gesprochen.
Seit September 2025 macht Ihr Workshops zum Thema „Der große Stadtumbau 2.0“. Was genau verbirgt sich hinter dem Format?

Vom neugestalteten Wien Museum aus gibt es einen eindrucksvollen Ausblick auf den Karlsplatz. Er ist ein gelungenes Beispiel für die klimafitte Umgestaltung eines öffentlichen Raums. © Stadt Wien / Gerd Götzenbrucker
Lukas Sperlich: Unsere These ist: Wien braucht einen Stadtumbau, um klimafit zu werden und der ist bereits in vollem Gange. Der Großteil der Gebäude wurde in den letzten 150 Jahren für ein komplett anderes Klima gebaut. Die Strukturen der Stadt werden jetzt an Hitze und Starkregen angepasst. Bei einem kurzen Spaziergang über den Karlsplatz schauen wir uns zuerst einen noch nicht umgebauten Altbau an und fragen uns, warum das Wohnen v.a. im Sommer hier so anstrengend geworden ist. Dann schauen wir, was die Stadtplanung am Karlsplatz richtig gemacht hat: Warum sitzen hier auch an heißen Tagen so viele Menschen bzw. wo genau halten sie sich bei Hitze auf? Mit diesen Ideen gehen wir dann zurück ins Museum und beschäftigen uns mit den Straßen in unserer jeweiligen Nachbarschaft: Wie sollen sie umgebaut werden und was kann dort kühlend wirken? Daraus entsteht dann eine Fotocollage als Zukunftsvision.
Wie seid Ihr auf dieses Thema gekommen?
Gertraud Illmeier: Wir hatten 2024/25 die Sonderausstellung „Winter in Wien. Vom Verschwinden einer Jahreszeit“ und da haben wir uns gefragt, was das mit der Stadt macht, wenn es statt Eis, Kälte und Haufen von Schnee plötzlich Hitze und Starkregen gibt. Daraus ist dieses Programm entstanden.
Was sind Eure Beobachtungen bei diesen Workshops? Ist das Thema „Anpassung an den Klimawandel“ etwas, was die Menschen beschäftigt? Welche Emotionen schwingen dabei mit?
Lukas Sperlich: Es wird begeistert diskutiert und freudig geplant, also ja, es beschäftigt die Menschen in Wien! Alle kennen die anstrengenden Hitzetage und v.a. die schwer erträglichen Tropennächte. Es gibt immer viel Begeisterung für die Lösungen und wie sehr sie das Stadtklima verbessern. Diese Lösungen besprechen wir dann im Rahmen der Workshops. Wenn wir etwa planen, eine Straße zu begrünen, macht das die Stadt ja nicht nur kühler, sondern auch schöner und lebenswerter als die alte Stadt. Und wer möchte denn nicht in einer solchen Stadt leben? Das bewegt also alle sehr.

© Wien Museum / Anna Stanka
2024 / 2025 habt Ihr Euch mit dem Winter in Wien beschäftigt. Die Ausstellung trug den Titel „Vom Verschwinden einer Jahreszeit“. Der Winter hat auch das Wiener Stadtbild in den vergangenen Jahrhunderten geprägt und gab Anlass zum ersten großen Stadtumbau – wie war die Reaktion der Besucher*innen auf diese Ausstellung? Gab es Überraschendes?
Gertraud Illmeier: Es wurden viele persönliche Erinnerungen an Winter-Erlebnisse geteilt: Vor der Haustüre einen Schneemann bauen, Eistanzen auf der zugefrorenen Donau oder die Stille der frisch verschneiten Stadt. Es gab viel Bedauern über das Verschwinden des Winters, vor allem vom Schnee und den Freuden, die damit verbunden sind. Die Ausstellung hat bewusst gemacht, dass wir mit dem Winter etwas verlieren, was wir lieben. Da kommt die Frage auf, ob es das Wert war und wie wir jetzt handeln, um eine lebenswerte Zukunft zu erhalten.
Mit jeder Eurer Ausstellungen beleuchtet Ihr einen anderen Aspekt der städtischen Geschichte oder des Miteinanders. Man könnte sagen, Ihr blickt der Wiener Bevölkerung jedes Mal aufs Neue tief in die Seele. Versuchen wir eine Psychoanalyse – sind die Wiener*innen, ist diese Stadt bereit für den großen Stadtumbau 2.0?
Anna Stanka: Definitiv Ja! Wir spüren in den Workshops eine wahre Sehnsucht nach dieser neuen, grünen und kühlen Stadt. Es geht auch immer weit über die Maßnahmen hinaus, die wir vorbereiten: Jedes Mal kommen neue Ideen. Man merkt, wie viel Spaß es macht, den Herausforderungen unserer Zeit mit Kreativität zu begegnen.
Prinzipiell sträuben sich viele Menschen gegen Veränderung. Gleichzeitig ist Anpassung eine Stärke, die uns als Menschen weit gebracht hat. Euer Haus hat sich in den vergangenen Jahren verändert und strahlt nun in neuem Glanz. Ist >Veränderung< letztlich besser als wir glauben?
Lukas Sperlich: In einigen Dingen ist Veränderung eben notwendig. Unser altes Haus war viel zu klein und eine wahre Klimasünde. Das Team des Wien Museums und viele weitere haben es geschafft, das komplett zu ändern. Das war viel Arbeit und wahnsinnig anstrengend, aber diese Energie, die entstanden ist, weil wir das gemeinsam geschafft haben, ist großartig. So wird es auch beim Stadtumbau sein: Wir werden diese neue Stadt lieben, weil wir sie gemeinsam geschaffen haben. Und wir werden uns fragen, warum wir nicht schon viel früher mit diesem Umbau angefangen haben.
Als Wiener Stadtmuseum beschäftigt Ihr Euch viel mit der Gegenwart und der Vergangenheit. Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie sieht Eurer Meinung nach das Wien der Zukunft aus, wenn der große Stadtumbau abgeschlossen ist?
Lukas Sperlich: In meiner Vorstellung von einem Wien der Zukunft fährt niemand mehr auf Urlaub, weil die Erholung auf der Straße vor der Haustüre stattfindet. Dort zwitschern die Vögel, spielen die Kinder im Schatten großer Bäume oder Fliegender Gärten.
Gertraud Illmeier: Im Wien der Zukunft ist der Stadt-Land Gegensatz reduziert, weil mehr von der Qualität, die das Land (im besten Fall) bietet – mehr Grün, mehr Natur – auch in der Stadt zu finden und zu erleben ist. Neben der Ökologie ist auch die soziale Komponente wesentlich, dass eine gute, gesunde und „grüne“ Umgebung für alle leistbar ist und alle Bezirke in grüne Bezirke umgestaltet werden.
Anna Stanka: Ich denke, dass sich die klimagerechte Umgestaltung positiv auf die Stimmung der Menschen und das soziale Miteinander auswirken wird. In den begrünten Straßen und bunten Plätzen werden entspannte Wiener*innen zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sein, sich anlächeln und glücklich fühlen, dass sie in dieser schönen Stadt wohnen dürfen.
Habt Ihr persönlich einen Wunsch für den großen Stadtumbau? Oder wurde ggf. auch schon ein Wunsch erfüllt?
Anna Stanka: Es passiert gerade einiges. Wir wollen, dass eine konsequente und nachhaltige Stadtplanung betrieben wird. Sie denkt Mobilität und Wohnqualität mit, was das Miteinander der Menschen in der Stadt stärkt. Auch beim Ausbau des Radwegnetz und Begrünungsmaßnahmen geht was weiter. Jetzt geht’s ums mutiges Handeln und Durchbeißen, damit wir unsere schöne neue Stadt bekommen.
Zur Person:
Gertraud Illmeier arbeitet als Vermittlerin mit allen Zielgruppen im Wien Museum und ist auch als Naturvermittlerin im Nationalpark Gesäuse tätig.
Lukas Sperlich ist Stadtführer und Vermittler am Wien Museum und verantwortet dort das Erwachsenenprogramm.
Anna Stanka ist Kulturvermittlerin im Wien Museum und hat bei der Ausstellung „Winter in Wien“ inhaltlich mitgearbeitet. Sie ist außerdem für das inklusive Programm zuständig.

