Immobilienmanagement: Abteilungsleiter David Vladar über aktuelle Trends am Wiener Immobilienmarkt

David Vladar, Leiter des Immobilienmanagements der Stadt Wien (MA 69) – Foto © Stadt Wien/Timon Jakli

Als drittgrößte Grundeigentümerin Österreichs kommt der Stadt Wien eine besondere Verantwortung zu, die weit über die Interessen einer einzelnen Gemeinde hinwegreicht. Mit etwa 204 km2 Fläche innerhalb Wiens und ca. 370 km2 außerhalb hat die Stadt Wien einen wesentlichen Einfluss auf die Entwicklung des Immobilienmarkts in Ostösterreich. Im Interview geht David Vladar, Leiter des Immobilienmanagements der Stadt Wien (MA 69) auf aktuelle Trends und Entwicklungen auf dem Immobilienmarkt ein.

Herr Vladar – Sie sind seit 2021 Leiter des Immobilienmanagements der Stadt Wien. Vorher waren Sie im Bereich Verkehrsrecht tätig. Was hat Sie als Quereinsteiger in den städtischen Immobilienmarkt am meisten überrascht?

Einerseits die Dynamik und Komplexität dieses Bereichs – es ist beeindruckend, wie vielfältig die Interessenslage und Stakeholderlandschaft ist. Und gleichzeitig wie unmittelbar der Bezug zum Nutzen für die Bürger*innen ist: Denn leistbares Wohnen, qualitative Grünräume und sichere Infrastruktur wirken sich ganz direkt auf die Lebensqualität der Wiener*innen aus.

Sie kommen ja aus der Verkehrsplanung bzw. dem Verkehrsrechtsbereich – was ist der größte Unterschied?

Sicher die langen Zyklen, in denen die Stadt Wien als Stakeholder am Immobilienmarkt denkt. Aus dem Verkehrsbereich kannte ich Jahre oder vielleicht Jahrzehnte als Horizont, um Entwicklungen nachhaltig zu betreiben. Nun sind wir als Immobilienmanagement an Projekten beteiligt, bei denen wir von einer Umsetzungsperspektive von einem viertel Jahrhundert im Stadtentwicklungsbereich oder sogar über einem Jahrhundert im Bereich Grünraum sprechen. Das ist schon sehr beeindruckend und macht einen demütig, da einen Beitrag leisten zu dürfen.

Der Immobilienmarkt unterliegt ständigen Veränderungen. Was halten Sie für die aktuell unterschätzten Trends?

Ich denke, die globalen Migrationsströme werden uns noch stark beschäftigen und speziell für Ballungsräume wie Wien ein massives Thema. Einerseits steigt hier der Preisdruck auf Verbraucher*innen beim Thema Wohnen. Und insbesondere im unteren Preissegment wird es denke ich immer schwerer – schon jetzt sieht man, dass die freien Mieten auf einem Rekordhoch angekommen sind. Als Stadt Wien legen wir daher einen starken Fokus auf leistbares Wohnen – etwa durch die Errichtung neuer Wohnungen im gemeinnützigen Wohnbau.

Ein zweiter Trend ist aus meiner Sicht die Schaffung und langfristige Bewahrung hochwertiger Grünräume. Das hat zentrale Bedeutung für den Artenschutz und die Erholung der Wiener*innen, und ist damit ein wesentlicher Schlüssel um Wien lebenswert zu erhalten. Aber natürlich heißt das auch, dass eine gewisse Konkurrenz zwischen Grünland und Bauland entsteht – hier für einen Interessensausgleich zu sorgen und im Sinne der Wiener*innen vom morgen zu handeln ist auch unser Auftrag.

Gibt es aus Ihrer Sicht auch überschätzte Entwicklungen?

Soweit wir sehen ist die Auswirkung von Home-Office auf den Bedarf nach Büroflächen nicht so groß, dass es einen signifikanten Einfluss auf die Stadtentwicklung hat. Es ist auch nach Corona keine massive Reduktion von Büroflächen eingetreten, auch die oft thematisierte Stadtflucht ist so nicht eingetreten. Wien wächst nach wie vor stark.

Wien wird international oft als Vorbild für eine aktive Rolle der öffentlichen Hand im Wohnungsmarkt gelobt. Selbst Medien wie die New York Times berichten über den Gemeindebau als best practice. Kann Wien hier als internationales Vorbild für den Umgang mit strategischen Immobilien- und Liegenschaftsportfolios dienen?

Man muss hier klar vorausschicken, dass wir von den weitsichtigen Entscheidungen früherer Generationen profitieren. Man hat in Wien vor 120 Jahren die Entscheidung getroffen, eine aktive Rolle am Wohnungsmarkt zu spielen. Das war damals ein perfekter Zeitpunkt, in den Markt einzusteigen – die Flächen waren da bzw. konnten neu geschaffen werden. Bis heute prägt dieses Erbe wesentlich unser Portfolio als Liegenschafts-Inhaberin. Insofern: Vorbild vielleicht bedingt, viele Städte haben dieses Erbe nicht und müssen andere Strategien wählen.

Welche Kernaspekte halten Sie im internationalen Kontext für transferierbar?

Ich denke die grundsätzliche Entscheidung – „JA, wir wollen als öffentliche Hand eine aktive Rolle im Immobilienmarkt spielen“. Das ist ein wesentlicher Aspekt. Natürlich auch das Zusammenspiel von Immobilienbesitz und sozialer Nutzung sowie Nutzung im Sinne aller Menschen der Stadt – beispielsweise bei der Realisierung von leistbarem Wohnen, hochwertigem Grünraum oder auch Klimaprojekten wie etwa Photovoltaik oder Tiny Forests.

Sie haben erwähnt, dass Wien immer noch wächst. Wie kann mit Zuwachs im städtischen Raum umgegangen werden, wenn große Freiflächen immer knapper werden?

Es stimmt, dass die innerstädtischen Flächenreserven zunehmend aufgebraucht sind – gerade werden mit Nord- und Nordwestbahnhof etwa die letzten großen Bahnhofsareale bebaut. Der Trend geht hier klar zu den Rändern der Stadt, etwa mit der Seestadt Aspern oder im Süden in Favoriten. Wobei Aspern besonders spannend ist, weil hier ein Brownfield – also teils versiegelte Fläche genutzt wurde. Ein weiterer Aspekt ist, die kleinräumige Quartiersentwicklung und sanfte Nachverdichtung im innerstädtischen Bereich voranzubringen. Dabei muss natürlich sensibel vorgegangen werden und geschützte Gebäude- und Baumbestände berücksichtigt werden.

Welche Rolle spielt die Stadt Wien als größte Liegenschaftsbesitzerin beim Thema Klima?

Nachdem uns als öffentliche Hand etwa 50% des Stadtgebiets gehört, natürlich eine sehr große. Der städtische Flächenbesitz ermöglicht uns gerade mit großen Schritten an alternativer Energiegewinnung zB durch Geothermie zu arbeiten. Er hilft uns auch Grünflächen zu schaffen – von Mikroflächen bis hin zu riesigen Grünentwicklungsgebieten im Norden Wiens. Und man darf nicht vergessen: Als Stadt Wien besitzen wir Waldflächen, die noch einmal fast so groß wie das Bundesland selbst sind in den Quellgebieten des Wiener Wassers – das ist ein unglaublicher Naturschatz für uns alle. Auch beim leistbaren Wohnen ist Ökologie ein immer stärkeres Thema – Projekte wie das WohnBAUMProgramm erkunden hier die Möglichkeiten von morgen.

Immer wieder ist von einer europäischen Wohnungskrise die Rede. Führt diese Entwicklung zu verstärkten Investments der Städte in Wohnen?

Ich denke schon, das Thema beschäftigt alle größeren Kommunen in Mitteleuropa. Wir haben hier auch eine starke Kursänderung gemacht. Wenn man sich die Statistiken ansieht, gibt es bei den Neubauten von Gemeindebauten in Wien in den 1980er und 1990er Jahren einen Knick nach unten, Anfang der 2000er dann überhaupt eine Pause. Hier kann man eine klare Umkehr beobachten: Als Stadt erweitern wir unser Flächenportfolio, um unsere Position am Markt abzusichern. Zudem wurden mit der Widmungskategorie geförderter Wohnbau neue Impulse gesetzt und mit dem Gemeindebau NEU sogar ein neues Bauprogramm ins Leben gerufen. Ich denke, man kann hier von einem bewussten Neustart sprechen, um genau dieser Wohnungskrise entgegenzuwirken.

Über David Vladar

David Vladar ist seit 2007 bei der Stadt Wien beschäftigt. Von 2008 bis 2021 brachte er seine Kenntnisse in der MA 65 (Rechtliche Verkehrsangelegenheiten) ein, deren stellvertretender Leiter er ab 2014 war. Mit „Wien gibt Raum“ leitete er ab 2017 eines der erfolgreichsten und international prämierten Digitalisierungsprojekte der Stadt Wien, in Zuge dessen die Verwaltung öffentlicher Flächen modernisiert wurde. Seit November 2021 leitet er das Immobilienmanagement der Stadt Wien (MA 69).

Über das Immobilienmanagement der Stadt Wien

Das Immobilienmanagement trägt die operative Verantwortung für das Grundstücksanlagevermögen des Magistrats der Stadt Wien mit ca. 70.000 Grundstücksanlagen mit einem Buchwert von ca. 5,7 Milliarden Euro (Stand 31.12.2022). Die Abteilung ist die zentrale Stelle für das Management städtischer Flächen sowie die Abwicklung von Flächentransaktionen für den gesamten Magistrat der Stadt Wien. Die Kernaufgabe ist die Umsetzung der Immobilienstrategie der Stadt Wien.