Nordwestbahnhof – Vom Güterumschlagplatz zum neuen Stadtteil
Mit 44 Hektar Fläche in zentraler innerstädtischer Lage zwischen Augarten und Donau zählt der Nordwestbahnhof zu den interessantesten Stadtentwicklungsgebieten Wiens. Bis 2034 soll das Areal des heutigen Güterbahnhofs zu einem klimafreundlichen und sozial durchmischten Wohn- und Arbeitsviertel werden.
Seit 2010 ziehen pro Jahr durchschnittlich 22.000 Menschen nach Wien. Im Jahr 2027 wird Wien die 2-Millionen-Marke erreichen. Dieses Wachstum bringt neue Schulen, Parks und viele Arbeitsplätze. Am Areal des Nordwestbahnhofs planen die Stadt Wien und die ÖBB in enger Kooperation insgesamt rund 6.500 Wohnungen für rund 16.000 Menschen und schaffen 4.700 Arbeitsplätze. Hohe Umwelt-, Planungs- und Baustandards tragen dazu bei, dass, anstelle der ehemaligen Barriere inmitten der Brigittenau, ein attraktiver urbaner Ort entsteht.
Grüne Mitte und Highline
Begleitet von einer Esplanade – ein breiter Flanierweg – wird die Grüne Mitte mit 10 Hektar Fläche für eine hohe und abwechslungsreiche Aufenthaltsqualität im neuen Nordwestbahnviertel sorgen. Zusammen mit den Grünzonen im Nordbahnviertel („Freie Mitte“) entsteht so eine ökologisch wertvolle Spange im donaunahen Bereich von etwa 2,5 Kilometern Länge und knapp 20 Hektar Fläche. Die ehemalige Zulaufstrecke der Nordwestbahn vom Handelskai zum Bahnareal wird zum Highline-Park für den Fuß- und Radverkehr umgebaut.
Abwechslungsreiche Geschichte
1872 eröffnet war der Nordwestbahnhof seinerzeit der fünfte große Kopfbahnhof der Residenzstadt Wien. Historisch war das Areal vor allem als Güterumschlagplatz von Bedeutung. Die ersten Massenlieferungen tropischer Früchte, wie etwa Bananen, aber auch von Nord- und Ostseefischen nach Wien fanden hier statt. Zwischennutzungen der Bahnhofshalle waren nach Einstellung des Personenverkehrs ab den 1920er Jahren vonnöten. 1927 wurde etwa aus dem Bahnhofsgebäude für kurze Zeit eine Schihalle („Schneepalast“). Ab den 1950er Jahren etablierte sich das günstig wie zentral gelegene Areal zu einer der wichtigsten Logistik-Adressen, mitsamt Container-Umschlag (1972 – 2016). Heute erfolgt der schienengebundene Güterumschlag in Inzersdorf im Süden Wiens.
Der Nordwestbahnhof in der NS-Zeit
Ab März 1938 nutzten die Nazis vermehrt das leerstehende Bahnhofsgebäude für diverse Propaganda-Auftritte. Zusätzlich wurde die Halle für antisemitische Hetz-Ausstellungen genutzt. Zwischen 1942 und 1945 existierte im Areal auch ein Zwangsarbeiterlager. Auch Deportationen haben stattgefunden. Durch Fliegerangriffe wurde das Areal stark in Mitleidenschaft gezogen. Im Jahr 1952 wurde die Bahnhofshalle endgültig abgetragen.
Umweltfreundlicher Abbruch
Beim voraussichtlich ab 2023 stattfindenden Abbruch der Lagerhallen, wird der Abtransport großteils über die Schiene erfolgen. Dies reduziert während der Abbruchphase bis 2025 einen erhöhten LKW-Verkehr in der Umgebung. Im Sinne der Kreislaufwirtschaft sollen Materialien wiederverwertet werden.
Die Kosmoshalle: Mehr als ein Denkmal?
Die sogenannte Kosmoshalle besteht seit Ende des 19. Jahrhunderts. Die ehemalige Backstein-Lagerhalle verfügt über einen guten baulichen Zustand. Ein Teil der Halle wird nicht abgebrochen, sondern in Zukunft neu genutzt.
Eine weitere, etwas kleinere bestehende Lagerhalle am Areal wird ebenso für neue Nutzungen erhalten bleiben. Die Erinnerung an die lange Geschichte als Frachtenbahnhof bleibt damit aufrecht.
Gelebte Nachbarschaft – Zwischennutzungen und Urban Gardening
Das Kennenlernen des zukünftigen Stadtviertels beginnt heute und nicht morgen. Aus diesem Grund bieten die Stadt Wien und die ÖBB bereits seit einiger Zeit kleinräumige Zwischennutzungen für vorzugsweise lokale Initiativen aus der Brigittenau an. Zusätzlich wurden 18 Hochbeete in gemeinsamer Initiative mit der lokalen Gebietsbetreuung geschaffen.
Mobilität
Von zentraler Bedeutung wird die erstmalige Durchquerung des Areals mit der neuen Straßenbahnlinie 12 voraussichtlich ab 2027 sein. Sie verbindet über die verlängerte Wallensteinstraße nicht nur das Areal mit dem Nordbahnhof, sondern wird das bestehende Bus- und Straßenbahn-Angebot vor Ort ergänzen.
Die U6 im Norden (Stationen „Dresdner Straße“, „Jägerstraße“) und die Schnellbahn-Stammstrecke im Osten (Station „Traisengasse“) liefern hochwertige öffentliche und klimafreundliche Mobilität im Minutentakt.
Besondere Aufmerksamkeit wird auf Radfahrer*innen und Fußgänger*innen durch ein großzügiges und engmaschiges Wegenetz gelegt. Für den Pkw-Verkehr wird es im Areal Stichstraßen plus Tiefgaragen geben. Eine Durchquerung des Areals mit dem Auto ist nicht möglich. Sharing-Möglichkeiten inkl. E-Mobilität und Ladestationen komplettieren das Angebot.
Bildung
Insgesamt werden drei neue Bildungsadressen im neuen Stadtviertel in unter schiedlicher Größe und Ausrichtung errichtet. Neben Kindergärten, Volks- und Mittelschulen wird es eine AHS-Oberstufe vor Ort geben. Kurze Wege für eine moderne und zukunftsfitte Ausbildung sind gewährleistet.
Übersicht des Areals
Hochhäuser mit Perspektive
An insgesamt vier Standorten werden Hochhäuser entstehen. Ähnlich wie am Nordbahnhof gilt auch hier: Das Bauen nach oben bringt Platz in der Mitte. Die attraktiven Blickachsen in Richtung Wienerwald bleiben bestehen. Das Prinzip des „leistbaren Wohnens“ wird auch am Nordwestbahnhof umgesetzt: 60 Prozent der Wohnungen sind gefördert, wobei dieser Anteil auch Gemeindewohnungen (Gemeindebau Neu) umfasst. Der Rest wird freifinanziert. Wohnungsanmeldungen sind möglich, sobald die Bauträger bekannt sind.
Büros, Lokale und Geschäfte
Nur in einem Stadtteil, in dem gewohnt und gearbeitet wird, entsteht urbane Qualität. Deswegen sieht die Planung auch Büro-Schwerpunkte vor. Großen Wert wird auch auf die neue, autofreie Verbindung, die verlängerte Wallensteinstraße gelegt: Hier werden zahlreiche Geschäfte und Gastronomie zum Flanieren, Einkaufen und Verweilen einladen.
Klimafreundliche Planung und Qualität
Mit dem städtebaulichen Leitbild für das Areal und qualitätssichernden Verfahren wird das zukünftige Aussehen des neuen Stadtteils festgelegt. Ein Qualitätsbeirat begleitet die konkreten Planungen der Gebäude, Grünbereiche, Verkehrswege und vieles mehr. Dies beinhaltet natürlich auch sämtliche Maßnahmen des Klimaschutzes. Neben der Grünen Mitte werden auch sämtliche Innenhöfe begrünt. Ebenso sind Dach- und Fassaden begrünungen vorgesehen, wie auch ein nachhaltiges Regenwassermanagement.
Aktuelle Infos vor Ort
Seit Juli 2021 lädt die Stadt Wien-Infoschau Stadtraum (20., Nordwestbahnstraße 16) zusammen mit zwei weiteren Dauerausstellungen der ÖBB und einer Kunstinitiative zu Begegnung und Austausch ein. Aktuelle Informationen über Öffnungszeiten des Info-Raums mit digital bespieltem Stadtmodell finden Sie hier.